Aktuelles

IFK auf Studienfahrt in Mecklenburg-Vorpommern

Vierzehn Mitglieder und FreundInnen des Internationalen Freundeskreises beteiligten sich am ersten Augustwochenende 2022 an einer Studienfahrt ins südliche Mecklenburg-Vorpommern. Ständige Begleiterin, Organisatorin, Wegweiserin und Auskunftsperson in einem war Dr. Contanze Jaiser vom RAA Mecklenburg-Vorpommern e.V. Auf dem Programm stand das Aufsuchen von Orten der Erinnerung, die Information über deren spezifische Bedeutung im Kontext nationalsozialistischer Herrschaft sowie die Fragestellung, welchen Stellenwert diese Orte im Rahmen der Erinnerungskultur einnehmen bzw. einnehmen könnten.

Die erste Station

Wenn es um Erinnerung an die NS-Verbrechen geht, kommt das Luftfahrttechnische Museum Rechlin eher unscheinbar daher. Auf den ersten Blick bietet es Geschichte für Luftfahrtbegeisterte, Militär- und Technikfreaks. Viele Technikobjekte sind im Original zu bestaunen. Dass in dieser dünn besiedelten Region, abseits von aller Öffentlichkeit bereits in den 20er Jahren mit militärischem Gerät experimentiert wurde, der Ort dann in der Zeit des Nationalsozialismus ein Stück deutscher Luftfahrt­geschichte geschrieben hat – als „Kommando der Erprobungsstelle der Luftwaffe“ mit ca. 4.000 Beschäf­tigten im Jahr 1940, beteiligt an der Erprobung und Indienststellung von Militär­flugzeugen und der Entwicklung der sog. V-Waffen – das ist weithin unbekannt, was womöglich der militärischen Nachnutzung durch die Sowjetarmee und die NVA geschuldet ist.

Weithin unbekannt ist auch, dass die Nationalsozialisten in den letzten Kriegsjahren in großem Stil Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen nach Rechlin und das benachbarte Retzow beorderten, um die Aufrechterhaltung der Infrastruktur der Erprobungsstelle abzusichern. Rechlin und Retzow sind somit für viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zu Schicksalsorten geworden. Ein kleiner Raum am Ende der Ausstellung informiert hierüber mit Schautafeln, in merkwürdigem Kontrast zu den vorangegangenen Exponaten stehend – und hinterlässt beim Besucher die Frage, wie anders und eindrücklicher Erinnerung an die NS-Verbrechen an diesem Ort möglich wäre. 

Die zweite Station

Ganz anders der Nachbarort Retzow, wo sich das KZ-Außenlager Retzow befand. Hier erfolgte 35 Jahre nach Kriegsende eine erste Gestaltung dieses Erinnerungsortes: auf dem Gelände des einstigen Barackenlagers, jenem Ort, wo ab 1943 bis zu zweitausend Männer, anschließend ab Juli 1944 bis zu dreitausend Frauen des Konzentrationslagers Ravensbrück interniert waren und wo im Jahr 1950 ein Massengrab mit 234 Ermordeten aufgedeckt wurde, stellen Auszubildende des LPG Retzow/Boek zwei Gedenksteine auf.

1998 wird das von der Natur weitgehend vereinnahmte und mit Schuttabladungen versehene Gelände im Rahmen eines von der Gedenkstätte Ravensbrück veranstalteten internationalen Workcamps aufgeräumt. Es werden Teile von Fundamenten freigelegt, ein Gedenkpfad entsteht und eine erste Informationstafel wird aufgestellt.

Rund zehn Jahre später sind es wieder junge Menschen aus Retzow, die sich zusammen mit ihrer Geschichts­lehrerin Elke Gamlin auf Spurensuche begeben, beharrlich über mehr als zehn Jahre die Ver­gangen­­heit ihres Ortes erkunden, Zeitzeugen und Überlebende ausmachen und durch öffentlich­keits­wirksame Verbreitung ihrer Ergebnisse maßgeblich mit dazu beitragen, dass die Gemeinde Retzow sich ihrer Geschichte stellt und ein würdiger Gedenkort entstehen kann.

Heute bildet eine hochragende Stele mit den eingravierten Namen der Lagerhäftlinge den Mittelpunkt des Gedenkortes. Umgeben ist sie von Sitzbänken und von sechs im Halbkreis angeordneten Informations­tafeln. Für die ganze Besuchsgruppe war es ein unschätzbarer Gewinn, dass mit Frau Dr. Jaiser und mit Frau Gamlin, die sich an diesem Nachmittag freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte, zwei Expertinnen ausführlich und authentisch über den Werdegang der KZ-Gedenkstätte Retzow-Rechlin informierten und den Teilnehmern Rede und Antwort standen.

Die dritte Station

Unweit der Bundesstraße 96, zwischen Groß Nemerow und Neubrandenburg, betreten wir ein 50.000 Quadratmeter großes umzäuntes Waldareal, das zum ehemaligen KZ-Außenlager Neubrandenburg gehörende sogenannte ‚Waldbaulager‘, ein zum Tollensesee abfallendes Waldgelände im Nemerower Forst, das 1943/44 unter schwerster Zwangsarbeit von rund zweitausend weiblichen Häftlingen des Konzentrationslagers Ravensbrück in ein halb unteririsches Industriegelände mit Werkhallen und kompletter Infrastruktur umgewandelt wurde, um den Weiterbetrieb der Rüstungsproduktion der Mechanische Werkstätten Neubrandenburg unbemerkt von der alliierten Aufklärung zu gewährleisten. Mit rund 7000 weiblichen KZ-Häftlingen, die in den letzten beiden Kriegsjahren unter unsäglichen Bedingungen Zwangsarbeit für den Krieg leisten mussten, war das KZ-Außenlager Neubrandenburg einschließlich dem ‚Waldbaulager‘ das größte Außenlager des Konzentrationslagers Ravensbrück.

Nach dem Krieg ab 1953 bis 1990 militärisches Sperrgebiet, sind es seit den späten 90er Jahren zunächst sporadische Arbeitseinsätze von Aktiven und daraus hervorgehend verschiedene regionale Akteure aus Kultur, Wissenschaft und Verwaltung, die das Gelände und seine Geschichte Stück für Stück in die öffentliche Erinnerung zurückholen. Seit einigen Jahren betreut der RAA Mecklenburg-Vorpommern e.V. die Arbeit vor Ort.

Freilegung von Wegen, Kartografie und Beschreibung auf Tafeln, ein ‚Orte-Mahnmal‘ mit den Namen von Konzentrationslagern, Imke Rusts markante Kunst-Installationen – Frauensilhouetten (2020), ‚Namenstropfen‘ (2021) – alles sichtbare Zeichen eines platzgreifenden Prozesses. So sind längst vergessene Fundamentreste in einem unzugänglichen Wald doch noch zu einem Zeugnis national­sozialistischer Gewaltherrschaft geworden, während zugleich ein Ort des Gedenkens entstanden ist, ein Gedenkort für die Verfolgten und Ermordeten.

Die vierte Station

Vom KZ-Außenlager Neubrandenburg (Waldbau) sind es nur wenige Kilometer Luftlinie über den Tollensesee bis zu dem Dorf Alt-Rehse. Seine rund 800jährige Geschichte wurde während des National­sozialismus quasi auf ‚Jahr 0‘ gesetzt: auf dem Boden eingeebneter Dorfhäuser entstand ab 1934 architektonisch eine Art NS-Musterdorf, bestehend aus 22 reetgedeckten Fachwerkhäusern im niederdeutschen Stil, über jedem Hauseingang im Türsturz in großen Frakturlettern eingeschnitzt die Jahreszahl seiner Errichtung, gerechnet ab 1933, sowie den Namen eines NS-Gaus.

Vor einem dieser roten Ziegelhäuser hat sich unsere Gruppe um Dr. Fabian Schwanzar versammelt, den Sprecher der AG Gedenkstätten in Mecklenburg-Vorpommern, der sich dankens­werterweise für einen Informationsrundgang bereitgefunden hat. Er führt uns hinein in eine Anlage im ehemaligen Schloss­park, deren Häuser einem vorkommen wie die Fortsetzung des Musterdorfs, nur etwas stattlicher. Wir befinden uns auf dem Gelände der ehemaligen „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“, einem geistigen Zentrum der Euthanasie. Ab 1935 indoktrinierten hier führende NS-Ideologen und NS-Mediziner geschätzte zehn- bis zwölftausend Ärzte, Apotheker und Hebammen in Rassentheorie und Rassenhygiene und lieferten damit die Begründung, dass Menschen, die nicht den Maßstäben der ‚Volksgesundheit‘ entsprachen, unter Mitwirkung von medizinischem Personal ihrer Würde und Freiheit beraubt wurden und vielfach der staatlichen Tötungsmaschinerie zum Opfer fielen.

Die seinerzeit herausragende Bedeutung der „Führerschule“ für die Umsetzung der national­sozialistischen Rassenpolitik – aber auch ihr Stellenwert für die historische Aufarbeitung der NS-Zeit – erweisen sie als  d e n  zentralen Ort, von dem aus die neuere Geschichte von Alt-Rehse verstanden werden kann. Heute steht die gesamte Anlage unter Denkmalschutz, ist aufwändig restauriert und dient als Wellnesshotel, das seinen Gästen Ruhe und Erholung in einer idyllischen Parklandschaft verspricht, die sie an diesem schönen Sommertag sicherlich auch finden, während wir die Beschaulichkeit und geradezu Unschuld verströmende Idylle dieses Ortes mit den gerade aufgenommenen Informationen und den Eindrücken aus den vorangegangenen Stationen zusammen­zubringen suchen.

Wir danken Peter Plieninger und allen Mitgliedern des IFK, die diese Studienfahrt vorbereitet haben, sowie unseren ‚externen‘ Tourguides, Frau Dr. Jaiser, Frau Gamlin und Herr Dr. Schwanzar, die geduldig auf unsere Fragen eingegangen sind und uns mit ihren Ausführungen bereichert haben.

Bericht: Wolfgang Walter, Fotos Reinhard Bienek ©, Foto Namenstropfen Imke Rust ©,  www.imkerust.com


IFK· Straße der Nationen, 16798 Fürstenberg

An die Mitglieder des
Internationalen Freundeskreises e.V.
für die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Fürstenberg, 07.07.2022

Betr.: Einladung zur Mitgliederversammlung am 6. 8. 2022

Liebe Mitglieder des Internationalen Freundeskreises,

mit dem heutigen Brief verschicken wir termingerecht die Einladung mit der Tagesordnung zu der geplanten Mitgliederversammlung am 6. August 2022. Dieses Jahr wollen wir die Mitgliederversammlung wieder in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück abhalten. Sie wird am Vormittag vor unserer geplanten Studienfahrt nach Retzow-Rechlin und nach Neubrandenburg stattfinden.

Die Mitgliederversammlung des IFK findet am Samstag, dem 6.8.2022 von 10 Uhr 30 bis 12 Uhr 30 im Kinosaal in den Garagen statt. Wir werden für einen Imbiss sorgen.

Ich bitte um Anmeldung per Email an mich oder an Frau Fank, Tel. 033093 608 13, Email: info@ravensbrueck.de

Mit herzlichen Grüßen

Dr. Peter Plieninger

(Vorsitzender des Int. Freundeskreises Ravensbrück)

Mitgliederversammlung des IFK am 6.8.2022

Tagesordnung

  1. Bestimmung der Protokollführung, der Versammlungsleitung und Feststellung der Beschlussfähigkeit
  2. Jahresbericht des Vorstandes für 2021/22 (Peter Plieninger)
  3. Finanzbericht/Kassenprüfungsbericht für das Jahr 2021 (Wolfgang Walter/Yvonne Nägel)
  4. Diskussion und Entlastung des Vorstands
  5. Verschiedenes
  6. Besichtigung der Ausstellung „Bruchstücke ´45

Zum 100sten Geburtstag unseres Ehrenmitglieds

Selma van der Perre am 7.6.2022

Liebe Selma van der Perre,

der Internationale Freundeskreis e.V. für die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück (IFK) möchte Dir ganz besonders herzlich zum 100sten Geburtstag gratulieren! Wir danken Dir für die Freundschaft, die Du der Gedenkstätte und uns seit vielen Jahren schenkst. Jede Begegnung mit Dir ist ein glückliches Erlebnis und eine inspirierende Bereicherung gewesen. 
Wir wünschen Dir für die kommende Zeit alles erdenkliche Gute: Gesundheit, Lebensfreude und Zuversicht.

Dear Selma van der Perre,

on behalf of the International Friends Association e.V. for the Ravensbrück Memorial I would like to convey our heart-felt congratulations on your 100th birthday! We would like you to know how very grateful we are for the generous friendship you have shown us and the memorial over all these years. We have treasured our encounters with you and they remain a continuing source of inspiration for all of us. Our very best wishes for the future: good health, joie de vivre and confidence.

Beste Selma van der Perre,

de Internationale Vriendenkring e.V. van het voormalige concentratiekamp Ravensbrück feliciteert je heel hartelijk met je honderdste verjaardag. We blijven je dankbaar voor de vriendschap, die je het herdenkingsmonument Ravensbrück en ons sinds vele jaren hebt getoond. Iedere ontmoeting met jou hebben wij ervaren als een geluksmoment en een inspirerende verrijking. We wensen je het allerbeste voor de komende tijd: gezondheid, levensvreugde en vertrouwen.

Mit den besten Grüßen,

Best regards,

Met vriendelijke groeten,

Peter Plieninger, Johanna Kootz, Wolfgang Walter, Dagmar Reese, Andrea Genest


Peter Plieninger

Hilde Sternberg-Sitte gegen Siemens & Halske A.G.

Ein Rechtsstreit mit Folgen für die Wiedergutmachungspolitik in den Nachkriegsjahren

Erschienen in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft ZfG 70 (2022) 2, S. 121-141

Kleines Adressbuch aus dem Nachlass der Johanna Charlotte Carolina Röell. 7,5 x 4 cm (aufgeklappt) mit dem Eintrag von Hilde Sternberg Sitte. Sammlung der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Foto C. Schlegelmilch

Zusammenfassung

Siemens gehörte zu den ersten Konzernen, die KZ-Häftlinge für ihre Produktion einsetzten. Das Reichsluftfahrtministerium (RLM) gewährte dem Unternehmen für die Einrichtung einer Fertigungsstelle neben dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück günstige Bedingungen. Von August 1942 bis April 1945 unterhielt die Siemens & Halske A.G. (S & H) eine Produktionsstätte, in der elektrische Bauelemente und Komponenten, Fernsprechanlagen und Messgeräte für die Luftwaffe hergestellt wurden, mit bis zu 2300 Arbeitsplätzen für KZ-Zwangsarbeiterinnen.[1]

Nach dem Krieg zogen sich die Auseinandersetzungen um die Entschädigung der ehemaligen KZ-Zwangsarbeiterinnen für ihre unbezahlt geleistete Arbeit mit dem Siemens-Konzern über fast fünfzig Jahre hin. Thema dieses Beitrags ist ein Arbeitsgerichtsprozess aus den Jahren 1949/1950: Hilde Sternberg-Sitte hatte Siemens & Halske auf Schadensersatz für den ihr entgangenen Lohn verklagt. Die anonymisierten Urteile des Arbeitsgerichts Berlin und des Landesarbeitsgerichts Berlin-Charlottenburg konnten gefunden und erstmals der Klägerin Hilde Sitte und der Beklagten, der Firma Siemens & Halske A.G., zugeordnet werden.

Die Urteile sollten weitreichende Folgen haben und lösten bei Siemens einen bemerkenswerten internen Briefwechsel zwischen verschiedenen Betriebsteilen aus, der einen Schwerpunkt der Darstellung bildet. Zudem wird auf die Verhandlungen der Claims-Conference mit Siemens 1957 bis 1962, auf den Musterprozess von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste für Waltraud Blass im Jahr 1990 und den „Humanitären Hilfsfonds für ehemalige Zwangsarbeiter“ (HHZ) der Siemens AG von 1999 eingegangen.


[1]                           Internationaler Freundeskreis e. V. für die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück (Hrsg.), Zwangsarbeit für Siemens im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Kommentierte Berichte von Zeitzeuginnen. Ausgewählt und eingeleitet von Janna Lölke, Berlin 2017, S. 13 ff. (im Folgenden IFK, Zwangsarbeit für Siemens). Siehe auch Karl Heinz Roth, Zwangsarbeit im Siemens-Konzern (1938–1945). Fakten – Kontroversen – Probleme, in: Hermann Kaienburg (Hrsg.), Konzentrationslager und deutsche Wirtschaft 1939–1945, Opladen 1994.


Der vollständige Artikel kann hier eingesehen und heruntergeladen werden:


Liebe Freund:innen,

wir laden euch herzlich ein zur Vorstellung des Buchs
„Das Mädchen mit der Nummer 67 203“ Albanische Partisaninnen im KZ Ravensbrück
von Liria und Miro Xhunga
Übersetzt, eingeleitet und herausgegeben von Cord Pagenstecher
Berlin: Metropol 2021

am

Donnerstag, 7. April 2022
um 20 Uhr

im

Buchhändlerkeller
Carmerstr.1
10623 Berlin-Charlottenburg
https://goo.gl/maps/RsDBezuQfrvDQbTj9

1944 schloss sich die damals 17-jährige Liria den albanischen Partisanen an. Die deutschen Besatzer nahmen sie bald gefangen, verschleppten sie über Thessaloniki nach Ravensbrück und registrierten sie dort als „Mädchen mit der Nummer 67 203“. Ein halbes Jahr lang leistete sie Zwangsarbeit für die AEG in Berlin-Köpenick, bevor sie auf dem Todesmarsch befreit wurde. Nach langem Warten in einem sowjetischen Repatriierungslager kehrte sie im Herbst 1945 in ihr Heimatland zurück. Liria Xhunga schrieb im kommunistischen Albanien zusammen mit ihrem Mann Miro ihre Erinnerungen nieder. Sie werden ergänzt durch kürzere Berichte anderer albanischer Häftlinge. Eine Einleitung verortet die Erzählungen in der albanischen Geschichte und Erinnerungskultur, im historischen Kontext von Besatzung und Partisanenkampf, Deportation und Zwangsarbeit.

Lesung: Cord Pagenstecher
im Gespräch mit Dagmar Reese (Inter­natio­naler Freundeskreis Ravensbrück)
Moderation: Petra Fléing

Teilnahme nur mit bestätigter Anmeldung unter ticket@buchhaendlerkeller-berlin.de

Für diese Veranstaltung gilt die 3G-Regel.

Herzlichen Gruß
Cord Pagenstecher

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Streaming-Link: https://youtu.be/ysEKw6Z3MXM
Metropol-Verlag: https://kurzelinks.de/nvfq
Buchhändlerkeller: https://kurzelinks.de/be78
IFK Ravensbrück: https://www.ifk-ravensbrueck.de/

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IFK- Mitgliederrundbrief 12/2021

Nach unserer Ankunft…. aus der Graphic-Novel von Boris Golzio[1]

Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Vereins,

der 11. Rundbrief kommt in diesem Jahr zusammen mit einem Spendenaufruf für die Restaurierung von Fragmenten einer Bibel aus dem Depot der Gedenkstätte.

Trotz der Pandemie konnte die IFK – Mitgliederversammlung stattfinden, da wir sie vorsorglich in den Sommer verlegt hatten. Dies war ein Glücksfall, da wir auf der Präsenzveranstaltung am 6. August in Ravensbrück die anstehenden Vorstandswahlen durchführen mussten. Unsere Schatzmeisterin Gisa Spieler war aus privaten Gründen nach 12 Jahren im Vorstand zurückgetreten.
Liebe Gisa, wir danken Dir für diese Zeit, in der Du den Verein sicher und zuverlässig mit Deiner großen Erfahrung durch alle finanziellen Turbulenzen geführt hast. Betriebsprüfungen zur Erhaltung unserer Gemeinnützigkeit waren nie ein Problem. Zu jeder Vorstandssitzung lag ein aktueller Finanzplan von Dir vor, auf dem wir weitere Planungen aufbauen konnten. Und Du hast versprochen, Deinen Nachfolger noch dieses Jahr zu begleiten und mit ihm den Jahresabschluss zu erstellen.
Wir sind sehr glücklich und erleichtert, einen kompetenten Nachfolger für Gisa Spieler gefunden zu haben. Auf der Mitgliederversammlung wurde einstimmig Wolfgang Walter zum neuen Schatzmeister gewählt. Wolfgang Walter hat als ehemaliges Betriebsratsmitglied der Siemens AG den IFK über unsere Projekte mit Siemens Auszubildenden kennen gelernt. Er gehört dem IFK seit 2016 an. Die notariell bestätigte Veränderung im Vorstand ist dem Registergericht angezeigt worden. Der aktuelle Registerauszug steht noch aus.

Auch bei der Buchprüfung erfolgte ein Wechsel. Das Amt des Kassenprüfers, das Reinhard Bienek seit 2016 innehatte, ging an Yvonne Nägel über. Reinhard Bienek danken wir sehr herzlich für sein Engagement.

Als weitere Präsenzveranstaltung konnte im September nur das einwöchige Seminar der Siemens Werkberufsschüler stattfinden. Das Projekt der Schüler, ein 2 x 3 Meter große Modell des Siemensgeländes, steht jetzt  kurz vor der Vollendung. Die meisten der über 30 Gebäude wurden mittels 3D-Druck hergestellt. Das Modell, das mit einem Glasdach geschützt wird, soll auf dem Fundament des ehemaligen Kistenlagers der Siemensfabrik aufgestellt werden. Außerdem arbeiteten die Werkberufsschüler an einem Besucher-Leitsystem  und entwickelten eine Tafel mit einem schematischen Plan des Geländes.

Unsere für den 10. Dezember geplante Benefizveranstaltung in der Landesvertretung Brandenburgs musste aus Pandemie-bedingten Gründen abgesagt werden. Wir bedauern das sehr, denn in diesem Jahr sollte eine wenig bekannte kleine Häftlingsgruppe, die Frauen aus Albanien, durch einem Referat und eine Buchvorstellung vorgestellt werden. Es war auch geplant das am Ende dieses Briefes aufgeführte Buch einer Albanischen Partisanin, „Das Mädchen mit der Nummer 67203“ als Neuerscheinung zu präsentieren.

Leider kann ich, wie in früheren Jahren, in diesem Jahr den Sammlungsgegenstand nicht persönlich, sondern im Folgenden nur schriftlich vorstellen.

Bibel aus dem Besitz von Mara/Maria Zanewa Beltcheva
Papier, 10 x 7 x 1,5 cm, 68g

Von der Gedenkstätte erhielt ich die folgenden Informationen:
Besitzerin der Bibel war Maria Zanewa Beltcheva. Sie wurde am 10.07.1915 in Bulgarien geboren.
1944 wurde sie verhaftet und mit einem Transport von Paris (Fresnes) über Lauban in das KZ Ravensbrück deportiert. Mit ihr im Transport waren 35 Frauen aus verschiedenen Nationen: Belgien; Frankreich; Tschechien; Polen; Italien; Deutschland, außerdem Volksdeutsche (V.D.), die am 27.10.1944 registriert wurden. Maria Zanewa Beltcheva erhielt die Haftnummer 80064.

Eine Freundin der Familie machte folgende Angaben über Frau Beltcheva: „Maria Zaneva Beltcheva war meines Wissens nach unabhängig religiös, sie bezeichnete sich mir gegenüber einmal als ‚Christliche Kommunistin und kommunistische Christin‘. Als sie Ende der dreißiger Jahre nach Berlin kam, um Medizin zu studieren, machte sie zunächst eine Ausbildung im evangelischen Diakonissenhause in Zehlendorf und wohnte auch dort, soweit ich weiß.“[2]
Die Bibel soll sie aus dem Lager mit nach Hause gebracht haben. Es handelt sich um eine in deutscher Sprache gedruckte Bibel. Der Einband sowie die ersten 10 Seiten sind nicht überliefert. Der erhaltene Teil beginnt auf S. 11 mit einem Text aus dem Neuen Testament, dem Kapitel 5 des Matthäusevangeliums. Eine Titelüberschrift auf der Seite lautet: Vom Gebot der Feindesliebe. Dann folgt der dazugehörige Vers 43 sowie die weiteren Kapitel des Matthäusevangeliums und die Evangelien des Markus, Lukas und Johannes, die Apostelbriefe, die Offenbarung des Johannes sowie – ungewöhnlich – die Psalmen, die normalerweise Teil des Alten Testamentes sind. Ab S. 91 fehlt der Rest bzw. es schließen sich 9 lose Seiten an, die die Psalmen 119-150 enthalten. Diese Seiten sind in einem sehr fragilen Zustand. Sie zerbröseln bei Berührung und haben bereits Fehlstellen.

Lange war die Bibel im Besitz der Familie, bis der Sohn von Maria Zaneva Beltscheva, Christian Göbelsmann, sie 2019 der Gedenkstätte stiftete ebenso wie ein 1970 entstandenes Erinnerungstuch. Da der Einband der Bibel fehlt, können vorerst keine Angaben über Herausgeber und Druckzeitpunkt der Bibel gemacht werden.

Die Bibelfragmente müssen dringend stabilisiert und gesichert werden, um weitere Schäden zu verhindern. Dafür bitten wir Sie und Euch um eine Spende

unter dem Kennwort: „Benefiz 2021“  
auf das Vereinskonto des IFK bei der

Mittelbrandenburgischen Sparkasse 
IBAN: DE63 1605 0000 3753 0033 35
SWIFT-BIC: WELADED1PMB

Eventuelle Spendenüberschüsse werden wir in den Übersetzungsfonds des IFK überführen. Hier liegt uns bereits eine lange Liste von Vorschlägen für Übersetzungen von fremdsprachigen Texten aus dem Archiv der Gedenkstätte vor.

Ich wünsche Ihnen und Euch trotz aller Widrigkeiten eine schöne Weihnachtszeit und ein gesundes Neues Jahr 2022

Peter Plieninger

PS: Im Anschluss möchte ich auf drei Neuerscheinungen hinweisen, die zum Teil in diesem Brief bereits erwähnt wurden sowie die Herausgabe eines wichtigen Buches im nächsten Jahr ankündigen.

Filme über die Schoah und die Lager gehören zur pluralen Nachgeschichte der nationalsozialistischen Verbrechen. Katja S. Baumgärtner diskutiert in einem geschlechtersensiblen Close-Reading-Verfahren weitgehend unbekannte Filme über das KZ-Ravensbrück, die nach 1945 im internationalen Kontext entstanden sind.

„Die exzellente Studie ist ein Gewinn für das gut besetzte Forschungsfeld zu Ravensbrück, das seit 1993 mit zahlreichen Themen besät wurde. Dabei lag das Medium Film bislang völlig brach. Nun hat sich diese Brache, um in der agraren Terminologie zu bleiben, in einen fruchtbaren Boden bzw. auch in eine blühende Landschaft verwandelt.“

Prof. Dr. Sigrid Jacobeit, 1992–2005 Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.

„Das Buch bietet ein vorbildliches Kompendium an Ravensbrück-Filmen und schließt damit eine große Forschungslücke. Die Autorin leitet den Blick auf Aspekte der Holocaust-, Film- und Geschlechterforschung, die bisher unberücksichtigt blieben, und ermöglicht in der Zusammenführung Vergleiche zwischen den Memorialkulturen verschiedener Regionen, Epochen und Medien.“

Prof. Dr. Christina von Braun, Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin- Brandenburg

Impressum:

Internationaler Freundeskreis e.V. für die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
c/o Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten/
Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
Straße der Nationen D-16798 Fürstenberg/Havel
Vorsitzender: Dr. Peter Plieninger
E-mail: plieninger.ifk@ravensbrueck.de
priv.:    kootz_plieninger@t-online.de
Tel.:     030 211 99 43
Fax:     030 219 68 473
Mittelbrandenburgische Sparkasse Potsdam
BLZ 160 500 00, Konto-Nr. 3753 0033 35 IBAN: DE63 1605 0000 3753 0033 35
SWIFT-BIC: WELADED1PMB

[1] Zum ersten Mal wird hier die Geschichte einer Häftlingsfrau aus Ravensbrück in Form einer Graphic Novel dargestellt. Erzählt und hervorragend präzise gezeichnet hat sie Boris Golzio. Die Geschichte der Francine R, avant-Verlag, Berlin 2021 Siehe auch Hinweis am Ende des Mitgliederrundbriefes.

[2] Schreiben von L.K. an die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück vom 18.8.2019.

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Dem folgenden Nachruf der Gedenkstätte Ravensbrück für Ester Bejarano möchte sich der Internationale Freundeskreis für die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück (IFK) anschließen. Wir hatten das Glück Ester Bejarano 2011 im Rahmen unserer Benefizveranstaltung in der Niederländischen Botschaft in Berlin zu einem Konzert mit der Microphone Mafia einladen und erleben zu können.

Die Gedenkstätte Ravensbrück trauert um Esther Bejarano

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätten Ravensbrück und Belower Wald trauern um Esther Bejarano, die am Samstag, den 10. Juli 2021 mit 97 Jahren verstorben ist. Esther Bejarano, Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und Ravensbrück, hat sich als Zeitzeugin unermüdlich für den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus eingesetzt.   Mit ihrer Hamburger Band Coincidence trat sie bis zuletzt in Konzerten auf und trug jiddische und widerständige Lieder vor.  Vielen Jüngeren ist sie durch ihre Konzerte gegen rechts mit den Rappern der Microphone Mafia bekannt.

Esther Bejarano emigrierte nach der Befreiung nach Palästina, fand aber später mit ihrer Familie in Hamburg ein neues Zuhause. Sie war Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschist*innen (VVN/BdA) sowie Gründungsmitglied und Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland e.V.  1989 erschien ihr Buch „Man nannte mich Krümel“, in dem sie u.a. von dem Mädchenorchester in Auschwitz berichtet, in das sie als Akkordeonspielerin verpflichtet worden war.

Ambra Laurenzi, Präsidentin des Internationalen Ravensbrück-Komitees: „Der Tod von Esther Bejarano erfüllt uns mit großer Trauer. Der Kampf gegen Faschismus und Antisemitismus, den sie in ihrer Musik zum Ausdruck brachte, wird in unseren Herzen bleiben. Esther ist für uns alle ein großes Vorbild.“

Andrea Genest, Leiterin der Gedenkstätte Ravensbrück: „Wir trauern mit ihrer Familie, ihren zahlreichen Freundinnen und Freunden. Bis zuletzt gab Esther Bejarano Interviews, berichtete aus ihrem Leben und plante Veranstaltungen, so auch mit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Es ist ein großes Privileg, diese starke und außergewöhnliche Frau gekannt zu haben.“


Am Freitag, dem 12. Februar wurde unser Ehrenmitglied Selma van de Perre in London zum „Ridder van Oranje-Nassau“ ernannt. Wir vom Internationalen Freundeskreis gratulieren sehr herzlich zu dieser hohen Auszeichnung.
Die Zeremonie kann auf https://fb.watch/3GHiYPPMWQ/
nachverfolgt werden.

Selma van de Perre

Die 2020 im holländischen Verlag Thomas Rap/Amsterdam erschienenen Erinnerungen von Selma van de Perre: „Myn naam is Selma. Het uitzonderlijke verhaal van een joodse versetzsvrouw“, vertaald door Rebekka W.R. Bremmer, sind in den Niederlanden zu einem Bestseller geworden. Sie wurden nun auch ins Deutsche übersetzt (Übersetzung Simone Schroth) und vom Münchener Taschenbuchverlag btb im März 2021 veröffentlicht unter dem Titel „Meine Name ist Selma. Erinnerungen einer Widerstandskämpferin und Holocaustüberlebenden.“


Der aktuelle Mitgliederrundbrief für das Jahr 2020 findet sich in der Rubrik „Über uns“ unter „Aktueller Mitgliederrundbrief“.


Leiterinnenwechsel in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Dr. Insa Eschebach, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück seit 2005, trat zum 31. Juli 2020 in den Ruhestand. Dr. Andrea Genest trat am 1. August 2020 ihre Nachfolge an

Nach 15 Jahren nahm im Sommer 2020 die Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück (MGR), Insa Eschebach, ihren Abschied. Schon als sie 2005 die Nachfolge von Sigrid Jacobeit antrat, war sie für die Gedenkstätte keine Unbekannte. Deren Konzeption hatte Forschung zunächst nicht vorgesehen. Bis zum 50. Jahrestag der Befreiung des Lagers 1995 war die Verfolgung und Ermordung von Frauen in den Konzentrationslagern durch die etablierte NS-Forschung kaum öffentlich thematisiert worden. So war es nur folgerichtig, dass Sigrid Jacobeit und Insa Eschebach, in Kooperation mit der Zentraleinrichtung Frauenforschung an der FU Berlin, 1995 die Initiative zur Gründung der „Interdisziplinären Frauenforschungsgruppe Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück – Freie Universität“ (IFFG) ergriffen: „Zu wünschen wäre, dass unsere Gruppe das Forschungsprogramm Ravensbrück, seine Defizite und Desiderate, mit uns gemeinsam entwickelt und ausformuliert“, schrieben die beiden damals. Es begannen vielfältige fruchtbare Kooperationen und kontinuierliche Aktivitäten in Forschung und Lehre.[1] In den folgenden Jahren kristallisierten sich in der Arbeit von Insa Eschebach zwei Schwerpunkte heraus: zum einen die wissenschaftlich-theoretische Auseinandersetzung mit der Verfolgung und Ermordung von Frauen im Nationalsozialismus, zum anderen die gestaltende Arbeit als Kuratorin und Dokumentatorin diverser Ausstellungen sowohl in der Gedenkstätte Ravensbrück, wie ab 2002 auch in der Gedenkstätte Neuengamme. Als Insa Eschebach 2005 die Leitung übernahm, war für die Neugestaltung der Gedenkstätte eine Grundlage gelegt, erste Planungen bereits entstanden. Die Durchführung der meisten dieser Arbeiten stand jedoch noch aus und fiel wesentlich in ihre Amtszeit. Es war eine große Herausforderung, vor die sich die neue Leiterin gestellt sah, aber auch ein beachtlicher Gestaltungsraum, der vor ihr lag und den sie mutig anging. Über die Jahre entstand eine moderne Gedenkstätte. Sie machte zum einen das ehemalige Konzentrationslager in seinen räumlichen Aufmaßen und seinem ursprünglichen Aufbau für Besucher anschaulich und zugänglich. Sie vermittelte zum anderen über ihre Ausstellungen ein Verständnis der inneren Abläufe. Alle Dauerausstellungen wurden während der Amtszeit von Insa Eschebach entweder überarbeitet und neu eröffnet: Zellenbau 2006, „Alltag und Verbrechen der Ravensbrücker SS-Offiziere“ im Führerhaus 2010, Hauptausstellung 2013, „Zwangsarbeit im Frauen-KZ Ravensbrück – Textilfertigung für die SS-Wirtschaft“, „Im Gefolge der SS“ 2020. Voraussetzung für die Eröffnung der Ausstellungen waren meist umfangreiche Baumaßnahmen. Für die neue Hauptausstellung 2013 in der ehemaligen Kommandantur musste der Garagentrack umgewidmet und zu einem Verwaltungstrakt umgebaut werden. Stets erwies sich Insa Eschebach als kompetente Bauherrin und Planerin. Neben den informationsgesättigten, multimedialen Dauerausstellungen entstand eine Vielzahl von temporären Ausstellungen, die wenig beachtete Häftlingsgruppen und Themen der Lagergeschichte in den Mittepunkt rückten. Hinzu kamen eine Ausweitung und Differenzierung der Angebote. Die vielleicht berührendste ist die sommerliche Seelesung, die die Stimmen der Menschen wiederaufleben lässt, die in Ravensbrück Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung wurden. Die Europäische Sommer-Universität Ravensbrück, 2005 durch Sigrid Jacobeit initiiert, wurde zu einer festen Institution.[2] Sie führt in jedem Jahr eine internationale, interdisziplinäre, unterschiedliche Gruppe von TeilnehmerInnen zusammen und zeichnet sich dadurch aus, dass sie konsequent eine Genderperspektive berücksichtigt. Außerdem bieten jährliche Arbeitstreffen zur Ravensbrück-Forschung Nachwuchswissenschafterinnen ein Forum des Austauschs und der Weiterbildung. Erfreulich erfolgreich gestaltete sich auch die Zusammenarbeit der Gedenkstättenleitung mit dem „Internationalen Freundeskreis e.V. der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück“ (IFK), zu deren Vorstand die Leiterin zählt. Ab 2009 findet jeweils zum Jahresende eine gemeinsam organisierte Benefizveranstaltung in Berlin statt. Einem größeren Publikum werden die Arbeit der Gedenkstätte, neue Publikationen und Projekte vorgestellt und ein Sammlungsgegenstand präsentiert, für dessen Restaurierung Spenden benötigt werden.

Diese hier nur in Auszügen beschriebene, in den Jahren von Insa Eschebachs Amtszeit entstandene Vielfältigkeit war vor allem auch ihrer Person geschuldet: ihrer Teamfähigkeit, Neugier, Offenheit und einer großen Begabung für Freundschaft. Davon zeugt zuletzt die Festschrift, die Sabine Arend und Petra Fank ihr zum Abschied als Herausgeberinnen zusammengestellt haben.


[1] 1997 wurde die IFFG für ihr Engagement mit dem Margherita-von-Brentano-Preis der FU ausgezeichnet.

[2] Die einzige Ausnahme bildete das Jahr 2013, in dem die neue Hauptausstellung eröffnet wurde.

Am 1. August 2020 übernahm Dr. Andrea Genest die Leitung der Gedenkstätte Ravensbrück.

Auch sie, die 1970 geborene Berlinerin, ist der Gedenkstätte seit geraumer Zeit verbunden. 2007 wurde sie, damals noch Mitarbeiterin am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam, als Expertin für Erinnerungskultur in Osteuropa, insbesondere Polen, im „Internationalen Kuratorium“ der Europäischen Sommeruniversität als Mitglied aufgenommen und blieb bis 2011. Sehr viel länger währte ihre Mitarbeit in diversen Vorbereitungsgruppen der Europäischen Sommeruniversität. Andrea Genest hatte in den 90er Jahren am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Politikwissenschaften und Germanistik studiert. Zwischen 1991 und 1993 kam sie nach Auschwitz/Oświęcim, zunächst als Mitarbeiterin des Freiwilligen Friedensdienstes der Aktion Sühnezeichen, später als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem EU-Projekt „Civil Society and Social Change after Auschwitz“ (Leitung: Prof. Jonathan Webber, Oxford, UK). 1999 wechselte sie für sechs Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die „Forschungsstelle Widerstandsgeschichte“ am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin und arbeitete gleichzeitig an Ausstellungsprojekten der „Gedenkstäte Deutscher Widerstand“, Berlin, sowie an ihrer Dissertation. 2005 wurde sie promoviert. Nach Ravensbrück kam Andrea Genest 2009 zunächst für einen Werkvertrag im Rahmen der Sonderausstellung: „Vergessene Vernichtung? Polnische und tschechische Intelligenz in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Ravensbrück am Beginn des Zweiten Weltkrieges“. Sie organisierte den Besuch polnischer Zeitzeuginnen und führte lebensgeschichtliche Interviews mit ihnen durch. Im Anschluss kam sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin im Rahmen der neu zu konzipierenden Hauptausstellung an die Gedenkstätte Ravensbrück. In den dann folgenden Jahren arbeitete sie in mehreren Gedenkstätten: In Sandbostel war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin beteiligt an einer Ausstellung zum Kriegsgefangenenlager und verantwortlich für eine Ausstellung über die Nachkriegsgeschichte des ehemaligen Kriegsgefangenen- und KZ-Auffanglagers Stalag XB Sandbostel. Zur gleichen Zeit machte sie Interviews mit ehemaligen Flüchtlingen aus der DDR sowie ehemaligen polnischen Kriegsgefangenen. Ihre dabei gewonnenen Kenntnisse kamen ihr bei der Leitung eines Forschungsprojektes über DDR-Zuwanderer zugute, welches an der „Stiftung Berliner Mauer“ angesiedelt war. Aus ihrer Mitarbeit an der vom „Internationalen Freundeskreis e.V. der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück“ initiierten und durchgeführten umfangreichen Quellensammlung zu „Zwangsarbeit für Siemens in Ravensbrück“ ging 2017 eine Fotoausstellung hervor, in der sie „Produkte“ präsentierte, Relikte, die bei Grabungen auf dem Siemensgelände gefunden worden waren. NS-Zwangsarbeit hat sie auch in den letzten Jahren beschäftigt, in denen sie zunächst am Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit im Berliner Ortsteil Niederschöneweide beschäftigt war und dann für das „Museum Charlottenburg-Wilmersdorf“ eine Werkausstellung zur NS-Zwangsarbeit kuratierte. Für die Leitung der Gedenkstätte Ravensbrück bringt Andrea Genest umfangreiche Erfahrungen als Wissenschaftlerin und Kuratorin mit. Darüber hinaus verfügt sie über Sprachkenntnisse, ein umfangreiches historisches Wissen sowie langjährige Kontakte zu dem Land, aus dem die größte Ravensbrücker Häftlingsgruppe kam: Polen. Nicht zuletzt ist Andrea Genest versiert im Umgang mit neuen Medien, Foto, Film, Datenbanken. Sie kennt sich aus mit modernen Präsentationsformen und -formaten, für die die Gedenkstätten sich öffnen werden. Dazu gehört ein künstlerischer Umgang mit der Erinnerung an NS-Verfolgung und Ermordung, der in einer Zeit, in der es immer weniger Zeitzeugen gibt, an Bedeutung gewinnt. 


Einladung zum Jour-Fix des IFK

Wie schon länger angekündigt, will der Internationale Freundeskreis Ravensbrück mit Jour-Fix Treffen den Mitgliedern des IFK die Möglichkeiten geben, sich besser kennenlernen zu können und gleichzeitig Informationen zu bekommen, die bei unseren anderen Treffen, wie Mitgliederversammlung oder Benefizveranstaltungen nicht vorkommen oder zu kurz kommen.

Da es die Entfernung von Berlin nach Ravensbrück für viele unserer Mitglieder schwierig macht, Veranstaltungen in der Gedenkstätte zu besuchen, ist dieser Termin eine gute Gelegenheit über diese und andere für die Gedenkstätte relevante Themen zu berichten.

Dies wird Matthias Heyl für die sehr erfolgreiche Veranstaltung der Hildegard Hansche Stiftung gemeinsam mit der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück versuchen. Sein Thema ist:

»›Ravensbrücker Generationenforum‹ meets ›Sound in the Silence‹«

Ein ganz anderes, bisher viel zu wenig beachtetes Projekt, wird uns Matthias Roth vorstellen:

„Versuch einer 3D-Rekonstruktion des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück am Kriegsende“

Wir treffen uns in den Räumen des Vereins Kontakte-Kontakty e.V. in der Feurigstraße 68, 10827 Berlin-Schöneberg am Donnerstag, dem 13.2.2020 um 19 Uhr.

Mit herzlichen Grüßen

Peter Plieninger

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