Benefizveranstaltung am 12.12.2014 in der Botschaft des Großherzogtums Luxemburg in Deutschland
Vorstellung des Sammlungsgegenstands zur Benefizveranstaltung der Gedenkstätte Ravensbrück durch Amélie zu Eulenburg und Dr. Peter Plieninger:
Gedenkbuch der Luxemburger Häftlingsgemeinschaft Ravensbrück
Deckblatt des Gedenkbuchs der luxemburger Häftlingsgemeinschaft.
Das Büchlein hat etwa A 5 Format. Es besteht aus Karton und Pergament. Am linken Rand gelocht, wird es von einem Stoffband in den luxemburgischen Nationalfarben zusammengehalten. Auf 65 Seiten sind unterschiedliche Dokumente, Zeichnungen, Fotografien und Textformen wie Briefe, Gedichte und biografische Erinnerungsberichte zusammengetragen. Auf dem Deckblatt ist am rechten Bildrand eine junge Frau mit Kopftuch, Häftlingskleidung und rotem Winkel vor der luxemburgischen Nationalflagge abgebildet. Sie schaut trotzig nach rechts oben. Die Arme hat sie aufmüpfig, stolz vor ihrer Brust verschränkt. Das Gedenkbüchlein ist das zentrale Erinnerungsmedium der luxemburgischen Häftlingsgemeinschaft. Im offiziellen Schriftverkehr wird das Buch wie folgt beschrieben: Ein “kleines Buch in Pergament mit Gedichten, Widmungen und Erinnerungen an in Ravensbrück verstorbene ehemalige Häftlinge“ heißt es in einem Schreiben des „Internationalen Komitees der Ravensbrückhäftlinge“ an das Ministerium für Kultur der DDR vom 25. Juli 1958.
Zu diesem Zeitpunkt nimmt Lily Unden, Präsidentin des „Luxemburgischen Häftlingskomitees“ Kontakt zum „Internationalen Ravensbrück Komitee“ auf, das seinen Sitz in Berlin hat. Anlass ist die Umgestaltung des sogenannten Bunkers des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück. Das ehemalige Lagergefängnis soll zur bevorstehenden Eröffnung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück im darauffolgenden Jahr museal ausgestaltet werden. Nicht nur die Luxemburgerinnen, sondern auch Häftlingsverbände von Ravensbrückerinnen aus allen Ländern schicken Bilder, Dokumente und Gegenstände, die an die Zeit der Haft erinnern sollen. Die Frauen haben ein wichtiges Ziel erreicht: Die Errichtung eines Gedenkstätte am historischen Ort des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück. „Die Kameraden wollen diese Gegenstände in den ersten Septembertagen absenden. Sie bitten Sie zu diesem Zweck um die Besorgung der nötigen Papiere für Zoll und Grenzkontrolle“, heißt es in dem Schreiben an das Ministerium für Kultur der DDR weiter.
Lily Unden
Initiatorin und Organisatorin des luxemburgischen Gedenkraumes im ehemaligen Zellenbau ist vermutlich Lily Unden, die Präsidentin der „Amicale des concentrationnaires et prisonnières politiques Luxembourgeoises“, der luxemburgischen Häftlingsgemeinschaft. Lily Unden kam 1908 in Longwy-Bas in Frankreich zu Welt. Nach dem Studium der Kunst und Malerei in Paris und Brüssel ist sie die erste Frau Luxemburgs, die Malerei als Beruf ausübt. Sie gilt dort bereits in den 30er Jahren als renommierte Malerin. Ihre Arbeit kann sie unter der deutschen Besatzung nicht forsetzen, stattdessen verpflichten sie die NS-Besatzungsbehörden zur Zwangsarbeit in einem pharmazeutischen Betrieb.
Lily Unden engagiert sich in der luxemburgischen Widerstandsbewegung und versteckt Akteure der Luxemburgischen Widerstandbewegung „Lion rouge“. Im Jahr 1942 wird sie von der Gestapo inhaftiert und nach mehreren Haftstationen nach Ravensbrück deportiert. Sie ist dort die erste Luxemburgerin. Die Mehrzahl der Inhaftierten aus ihrem Heimatland kommt erst im Herbst 1944 nach Ravensbrück . Die Gesamtzahl der Luxemburgerinnen in Ravensbrück konnte abschlißend noch nicht ermittelt werdden. Nach neuesten Forschungen sind 221 Luxemburgerinnen namentlich bekannt.
Unden erlebt im April 1945 mit 800 anderen Frauen die Befreiung durch das Rote Kreuz. Nach ihrer Rückkehr nach Luxemburg verbringt sie zunächst noch 2 Jahre in den Vereinigten Staaten, in New York City, und nimmt Kurse an der Art Faculty der Columbia University. Zurück in Luxemburg arbeitet sie weiter als Künstlerin, unterrichtet aber auch an einem Lyceum. Ihre Werke sind heute im Luxemburgischen Nationalmuseum ausgestellt. Es ist anzunehmen, dass sie das Buch maßgeblich mitgestaltet hat.
Eine besondere Bedeutung im Gedenkbuch kommt dem Nekrolog zu. 39 luxemburgische Ravensbrückerinnen werden in einer Liste namentlich verzeichnet. Sie alle kommen in Ravensbrück zu Tode, werden gezielt ermordet oder sterben nach der Befreiung an den Folgen der Haft. Neben dieser Aufzählung gibt es eine zweite Liste mit weiteren 141 Namen. Es sind sowohl verstorbene Frauen wie auch solche, die im Jahre 1958 noch lebten, die hier in alphabetischer Reihenfolge eingetragen worden sind. Hinter den Namen der verstorbenen Frauen ist ein Kreuz markiert. – Diese Form der Totenliste ist an die Tradition mittelalterlicher Nekrologe aus der Monasterialkultur angelehnt. In sogenannten Obituarien wird den verstorbenen Mitgliedern der Gemeinschaft gedacht. Die Namen wurden zu bestimmten Anlässen, an Feiertagen oder zur Messe vorgelesen. Auch die luxemburgischen Frauen knüpfen an diese Tradition an und bilden mittels der Namenliste eine Art Gemeinschaft mit den getöteten Kameradinnen. Auffällig ist, dass nicht wie in anderen Kontexten, die Haftnummer verzeichnet ist. Unklar bleibt auch, ob jüdische Häftlinge unter den hier genannten sind.
Das Gedenken an die verstorbenen und überlebenden Mithäftlinge wird zum einen gerahmt durch Anknüpfung an die in Luxemburg stark ausgeprägte römisch-katholische Tradition und zum anderen die Huldigung an die Herrscherfamilie, der Großherzoge von Luxemburg. So sind auf der ersten Seite des Gedenkbüchleins die Karte Luxemburgs mit Großherzogin Charlotte (Charlotte von Nassau-Weilburg, * 23. Januar 1896 † 9. Juli 1985) abgebildet. Sie ist von 1919 bis 1964 Großherzogin von Luxemburg. Nach der Besetzung Luxemburgs am 10. Mai 1940 durch deutsche Truppen, flüchtet sie mit ihrer Familie und der Regierung über Frankreich, Portugal und die Vereinigten Staaten ins Exil nach Kanada und London.
Abgebildet ist auch das Hinzerter Kreuz, das 1945 auf dem ehemaligen Gelände des SS-Sonderlagers Hinzert errichtet. Es ist die früheste Gedenkstätte, die an Luxemburger Männer in NS-Haft erinnert. 1)Das SS-Sonderlager Hinzert (ab 1940 KZ Hinzert) war ein deutsches Haft- und Konzentrationslager in der Nähe von Hinzert-Pölert bei Trier im Hunsrück (heute Rheinland-Pfalz). Ausländische Häftlinge, wie beispielsweise französische Gefangene der „Nacht- und – Nebel – Aktion“, und vor allem luxemburgische Staatsbürger, machten einen großen Teil der Inhaftierten und der Getöteten aus. 1944 wurden 23 luxemburgische Widerstandskämpfer erschossen. Viele männliche Angehörige der in Ravensbrück inhaftierten Frauen waren hier in Haft.
Ebenfalls enthalten ist ein Gedicht der Luxemburgerin Cecile Rhies. Sie kommt am 26. November 1911 in Mersch zur Welt. Die Gymnasiallehrerin Cecile Rhies und Lily Unden lernen sich im Jahr 1943 in der Haft in Ravensbrück kennen. Die beiden verbindet eine wichtige Freundschaft. Rhies ist im Vorstand der „Amicale des concentrationnaires et prisonnières politiques Luxembourgeoises“, der luxemburgischen Häftlingsgemeinschaft“ tätig. Sie veröffentlicht ihre Texte und Gedichte nach dem Krieg in den Medien der luxemburgischen Lagergemeinschaft wie der Zeitschrift „Rappel“ und arbeitet in ihrer Heimatstadt Mersch als Journalistin.
Zeichnung 1
Zeichnung 2
Bemerkenswert sind auch die Zeichnungen von Lily Unden. Abgebildet sind einmal Rücken und Hinterkopf einer unbekleideten, liegenden Frau mit geschorenem Haar. Das Datum ist unleserlich, erkennbar ist die Jahreszahl 1944.
Die andere Zeichnung zeigt das Portrait einer Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht, das kurz nach der Befreiung datiert ist.
Es ist unklar ob die Zeichnungen zur Haftzeit angefertigt wurden, oder vordatiert sind.
Im letzten Abschnitt des Hefts finden sich vermehrt Kurzbiografien und Nachrufe auf verstorbene Luxemburgerinnen, die hier mit kurzen Texten geehrt werden.
Dr. Peter Plieninger:
- Zustand/Restaurierung des Gedenkbuches
Die einfachen Lochungen der Seiten sind in Gefahr auszureißen, sie müssen verstärkt werden. Es lösen sich die Klebungen, die wahrscheinlich generell behandelt werden müssen. Da alles geklebt ist, und der Klebstoff langfristig dem Papier schadet und den Zerfall beschleunigt, muss der Kleber entfernt, das Papier entsäuert werden und dann erneut alles restauratorisch korrekt befestigt werden. Gegebenenfalls muss das Papier noch geglättet werden.
- Kostenschätzung
Der Preis für die Restauration des Büchleins wird von der Gedenkstätte auf 800-1000 Euro geschätzt.
Referenzen:
1 | Das SS-Sonderlager Hinzert (ab 1940 KZ Hinzert) war ein deutsches Haft- und Konzentrationslager in der Nähe von Hinzert-Pölert bei Trier im Hunsrück (heute Rheinland-Pfalz). Ausländische Häftlinge, wie beispielsweise französische Gefangene der „Nacht- und – Nebel – Aktion“, und vor allem luxemburgische Staatsbürger, machten einen großen Teil der Inhaftierten und der Getöteten aus. 1944 wurden 23 luxemburgische Widerstandskämpfer erschossen. Viele männliche Angehörige der in Ravensbrück inhaftierten Frauen waren hier in Haft. |
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